"Der hier gebettet wird,
Georg Ovens, war seiner Kunst der Vornehmste -
- des Zeuxis Farben - - des Apelles Bilder - - Raphaels liebliche Feinheit,
bis hin zu Rembrandts Schattentiefe und kühnem Farbenauftrag
- das Alles findet sich hier."
[1]

1. Einleitung


Das Werk des aus Norddeutschland stammenden Jürgen Ovens zeigt die Einflüsse verschiedener Künstler und sogar miteinander konkurrierender Malerschulen. Während in seiner Frühzeit das Oeuvre eine Nähe zum Rembrandt-Umkreis aufweist,[2] überwiegt später der Einfluß von Anton van Dyck. Dabei gelang Jürgen Ovens die Verschmelzung holländischer und flämischer Stilelemente, zu einer bemerkenswerten Synthese.[3] Durch die Werke Anton van Dycks lernte Jürgen Ovens dessen Modifikationen italienischer, vor allem venezianischer Malerei kennen.[4] Hinzu kam die Kenntnis von italienischen Gemälden der Renaissance und des römischen Barock, die er in niederländischen Sammlungen studierte.[5] Jürgen Ovens ließ sich zweimal für mehrjährige Aufenthalte in Amsterdam nieder, dem neben Antwerpen wohl wichtigsten Kunsthandelszentrum des 17. Jahrhunderts.
Jürgen Ovens hat eine Fülle von Anregungen empfangen, die er mehr oder minder in seinen Werken umsetzte. Er ist ein eklektisch arbeitender Künstler, der es versteht, Vorbilder auszuwählen und Anleihen zu modifizieren, um sie den eigenen Vorstellungen und denen seiner Auftraggeber anzupassen.[6] Die Ergebnisse dieses Arbeitsprozesses sind uns anhand der Gemälde gegenwärtig, wenngleich im folgenden nur mittelbar auf die Umsetzung der Vorbilder im malerische Oeuvre eingegangen wird. Stattdessen steht eine Gruppe von Federzeichnungen im Zentrum der Betrachtung, die ein Bindeglied zwischen den von Jürgen Ovens geschätzten Vorbildern und dessen eigenen Werken darstellen.
Der Künstler fertigt Zeichnungen nach Gemälden von Anton van Dyck, Sebastiano del Piombo, Caravaggio und dem Tizian-Umkreis an. Die Blätter werden im einzelnen beschrieben und mit den Vorlagen verglichen, um das Verhältnis zwischen Übernahmen und Veränderungen zu bestimmen. Es sollen Aussagen über den Grad der künstlerischen Auseinandersetzung getroffen werden, ob es angemessen ist, von einer mechanischen Wiederholung oder aber einem kreativen Prozeß des Kopierens zu sprechen. Des weiteren folgt jeweils ein Unterkapitel zur Zeichentechnik, um Näheres über die Form, d. h. die Anlage der Zeichnung zu erfahren. Entscheidend wird es sein, ob es gelingt, anhand der Beschreibung der Konturlinien, der Binnenzeichnung und dem Einsatz von Schraffen zu erkennen, daß es sich um Nachzeichnungen handelt. Und die Zeichentechnik demnach charakteristische Merkmale aufweist, welche die postulierte Zugehörigkeit zu einer Gruppe auch in ihrer technischen Anlage bestätigt.
Von der Grundthese ausgehend, daß es sich bei den Nachzeichnungen nicht allein um reproduzierende, sondern vor allem um ‘kreative‘ Kopien[7] handelt, schließen sich Überlegungen zu Funktion und dem Gebrauch der zeichnerischen Gemäldekopie an. Der Künstler eignet sich die Bilderfindungen anderer Maler an und verändert diese. Im einzelnen wird darzustellen sein, worin diese Übernahmen, Auslassungen oder Hinzufügungen bestehen und ob sich für diese Modifikationen und deren Umgang Erklärungen finden lassen. Jürgen Ovens gewährt dem Betrachter seiner Blätter Einblick in das ihm geläufige Repertoir an Kompositionen und Bildmotiven.

Einige Anmerkungen zur Biographie:[8] Jürgen Ovens wird 1623 in Tönning als erstes Kind von Ove Broders und dessen Frau Agneta geboren und wächst innerhalb einer wohlhabenden Familie auf, die ihre Einkünfte aus Handel, Reederei und umfangreichem Landbesitz bezieht. Über seine Schulbildung ist ebensowenig bekannt wie über seine Ausbildung als Maler in Holstein. Auch für seinen ersten Hollandaufenthalt 1639-1651 ist die Zugehörigkeit zu einer Werkstatt nicht urkundlich gesichert. Gleichwohl wird seine Ausbildung als Schüler Rembrandts in Amsterdam angenommen.[9] Mit der Jahreszahl 1642 ist das erste signierte Werk datiert und belegt, daß Jürgen Ovens das Recht der Signatur erworben hat.[10] Seit 1650 sind anhand der Gottorfer Rentekammerbücher Kontakte zum Gottorfer Hof belegt, und Jürgen Ovens kehrt 1651 nach Tönning zurück, um im folgenden Jahr Maria Martens zu heiraten. 1652 läßt er sich in Friedrichstadt nieder, das 1619 durch Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein Gottorf (Regierungszeit 1616-1659) zur Ansiedlung der aus Holland stammenden Remonstranten gegründet wurde.[11] Der Herzog verleiht 1652 Jürgen Ovens ein "Privilegium exemptionis" mit dem er die Vorrechte eines Hofbeamten erhält, ohne am Hof leben und entsprechende Pflichten erfüllen zu müssen. Der Künstler begleitet 1654 Prinzessin Hedwig Eleonore von Schleswig-Holstein-Gottorf zu ihrer Hochzeit mit Karl X. Gustav von Schweden und hält das bedeutsame, dynastische und zugleich politische Ereignis in drei Gemälden fest.[12] Für 1654 ist der erste Beleg überliefert, daß Jürgen Ovens für den Gottorfer Hof nicht nur als Maler, sondern auch als Kunsthändler tätig war. In den Rentekammerbüchern ist festgehalten, daß er neben der Bezahlung für ein eigenes Werk auch für einen "Silen" von Rubens entlohnt wurde.[13] In den folgenden Jahren legt Jürgen Ovens eine Kunstsammlung als Wertanlage und Handelsgut an. Eine kürzere Reise nach Amsterdam ist für 1656 belegt, an der sich vielleicht ein Aufenthalt in Mecklenburg anschließt. Jürgen Ovens siedelt 1657 bis 1663 nach Amsterdam über und erhält dort das Bürgerrecht.[14] Es entstehen eine Vielzahl von Einzel- und Gruppen-, insbesondere Familienportraits. Eine etwaig 1659 unternommene Reise nach England ist nicht belegt, jedoch deuten einige Portraitaufträge darauf hin. 1660 portraitiert er Karl II. von England im Auftrag der Generalstaaten. Während Jürgen Ovens noch in Amsterdam ist, fertigt er mehrere Arbeiten für den Gottorfer Hof und wird als Kunstvermittler zwischen Artus Quellinus und Herzog Christian Albrecht tätig, der bei dem Bildhauer die Marmorskulpturen des herzoglichen Erbbegräbnisses im Dom zu Schleswig in Auftrag gibt.[15] 1662 vollendet Jürgen Ovens das von Govaert Flinck begonnene Gemälde der "Verschwörung der Bataver unter Claudius Civilis", das bereits in zeitgenössischen Quellen rezipiert wird.[16] Jürgen Ovens kehrt 1663 nach Friedrichstadt zurück, und das herzogliche Privileg wird durch den Nachfolger Friedrichs III., Christian Albrecht (Regierungszeit 1659-1694) erneuert. Vermehrt erfüllt Jürgen Ovens Aufträge für den herzoglichen Hof zu Gottorf und für Hofbeamte, Räte und Kanzler.[17] Es entstehen die großen Ausstattungsprogramme für Schloß Gottorf, welche die Historienbilder zur schleswig-holsteinisch-dänischen Geschichte (1665)[18] und die allegorisch-mythologischen Szenen für das Lusthaus Amalienburg im Neuwerkgarten von Schloß Gottorf umfassen (1670)[19]. 1667 portraitiert und arbeitet Jürgen Ovens für Königin Christine von Schweden, die sich nach ihrer Abdankung zeitweilig in Hamburg aufhält. Jürgen Ovens reist noch mehrmals zwischen 1674-1676 nach Amsterdam, bevor er am 9. Dezember 1678 in Friedrichstadt stirbt. 1691 wird aus Anlaß des Todes von Maria Ovens ein Nachlaßinventar erstellt, das die im Familienbesitz befindlichen Werke des Jürgen Ovens und dessen umfangreiche Kunstsammlung dokumentiert.[20]

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